Madjarisierungsansätze in der protestantischen deutschen Gemeinde

Kriegsdorf in Komitate Szilagy

Von Marie Luise Thomé, Wien

 

Die Gründung der deutschen Gemeinde Kriegsdorf (madj, Hadad) erfolgte im Zuge der Neukolonisation der ostungarischen Komitate während des 18. Jahrhunderts. 1751 berief der siebenbürgische Magnat Baron Wesselényi schwäbische Siedler aus der Gegend von Baden-Durlach auf seine in Szilagyer Komitate gelegenen Besitzungen. Da Wesselényi dem reformierten Glauben angehörte, nahm er ausschließlich protestantische Siedler an. Diese waren überwiegend Handwerker: Schmiede, Schlosser, Gerber und Leinweber. Ein rein handwerklicher Betrieb ließ sich jedoch nicht lange halten, und so wurde bald eine Mischung mit bäuerlichem Wirtschaftsbetrieb vorgenommen. Die handwerkliche Tradition und die Neigung zum Handwerkberuf haben sich jedoch als typisch für Kriegsdorf erhalten.

Im Gegensatz zu der kurz danach ebenfalls gegründeten protestantischen Gemeinde Trestenburg (madj, Tasnad, 1754), die bald einer Katholisierung erlag, erhielt sich Kriegsdorf als lutherische Gemeinde. Es stand bald in engster religiöser Verbindung mit den anderen deutschen protestantischen Siedlungen des Gebietes von Sathmar wie Groß-Karol (Nagy Károly), Neustadt (Nagy Banya), Mittelstadt (Felsöbanya), Schommelmarkt (Somlyo) usw. Gleichzeitig wurden die Beziehungen zur siebenbürgisch-sächsischen Landeskirche so eng gestaltet, dass Kriegsdorf von 1780 an seine Pfarrer von dort erhielt. Durch diese Einbeziehung in den siebenbürgisch-sächsischen Kirchenverband entschied sich sein Schicksal als deutsche wie als protestantische Gemeinde. Weder Katholisierungs- noch Madjarisierungsversuche konnten in der Folge nennenswerte Erfolge aufweisen, da der praktische wie geistige Rückhalt am Sachsentum vorhanden war. Damit scheidet Kriegsdorf aus der Entwicklung des protestantischen Deutschtums des Sathmarer Gebietes im Allgemeinen aus. Dieses Deutschtum ging langsam über den Kalvinismus zum Madjarentum über, auf die anfänglich nur sprachliche Madjarisierung erfolgte nach 1800 auch weitgehend eine blutsmäßige Mischung.

Von 1780 bis 1812 folgten in Kriegsdorf nacheinander vier siebenbürgisch-sächsische Pfarrer. Von 1812 bis 1819 war die Pfarrstelle unbesetzt. Die Betreuung der deutschen Gemeinde übernahm der kalvinistische und madjarische Pfarrer. 1819 ernannte Baron Wesselényi in seiner Eigenschaft als Patronatsherr einen seiner Leute, Johann Dobrovodsky als Pfarrer. Er ist der einzige Geistliche, der ernannt wurde, alle anderen vorhergehenden und nachfolgenden wurden von der deutschen Gemeinde selbst gewählt. Das Recht der Zustimmung oder Ablehnung stand den Grundherren als Patron zu. Auf Dobrovodski folgten von 1830 bis heute wieder ausschließlich deutsche Geistliche. Diese Zwischenzeit nichtdeutscher Pfarrer von 1812 bis 1830 findet ihren unverkennbaren Niederschlag in den Kirchenbüchern. Ein Auszug aus den Taufmatrikeln mag diese verdeutlichen:

· 1780: Stephan Bredel / Jakobus Weniger

· 1784: Georgius Sinn / Georg Löscher / Friedrich Hotz

· 1796: Georg Schartner

· 1800: Maria Wentz

· 1804: Maria Siegel

· 1814: Sartner / Sziegel

· 1819: Sziny / Rainbold / Pilsz / Sziegel

· 1920: Michael Szény (Sinn) / Magdalene Sartner / Magdalene Veniger

· 1823: Georg Bencz / Michael Sziny

· 1824: Michael Sziegel

· 1828: Georg Löser

· 1830: Georg Predli

· 1931: Johann Sinn, Maria Schartner, Johann Löscher.

Die Zeit von 1812 bis 1830 tritt klar als ein Einschnitt hervor und weist eine Fülle von Namensmadjarisierungen auf. Die dazwischen immer wieder auftauchende richtige deutsche Schreibweise lässt den Schluss zu, dass die Madjarisierung der Namen bewusst geschah. Es ist noch fast nur eine madjarische Orthographie -die erste Stufe der Namensmadjarisierung- zu erkennen. Schreibungen jedoch wie Szény (Sinn), die allein schon an dem eingeklammerten deutschen Namen die bewusste Änderung zeigen, weisen schon auf spätere Arten der klanglichen Nachahmung des ursprünglichen Namens, ohne dass durch seine Schreibweise an die Herkunft erinnert wird, hin. Es steht außer Frage, dass die Namensmadjarisierungen nicht auf den Wunsch der Bauern zurückgingen. Sie sind aber auch nicht als zufällige Handlungen dieses einzelnen Geistlichen anzusehen, da die übrigen sathmarschwäbischen katholischen Dörfer zahlreiche Parallelerscheinungen zur gleichen Zeit aufweisen. Dies hat vielmehr seinen letzten Grund in der allgemein madjarischen Tendenz nach dem Nationalstaat bzw. dem Einheitsstaat, die seit 1790 auf allen Reichstagen ihre praktische Verwirklichung suchte. In diesem Rahmen waren u. a. die Forderungen aufgetaucht, dass auch die theologischen Seminare madjarische Unterrichtssprache und eine madjarische Ausrichtung erhalten sollten, dass die madjarische Sprache gerade in den Gebieten der „Nationalitäten“ zu verbreiten sei und dies vornehmlich durch die Schulen zu geschehen habe. Und es wurde immer wieder betont, dass bei der Madjarisierung der Dorfbevölkerung dem Geistlichen die wirkungsvollste Rolle auf Grund seines Einflusses zufalle. In der madjarischen Publizistik wurde selbst die Frage nach der Madjarisierung nichtmadjarischer Orts-, Fluss-, usw. Namen angeschnitten. Die madjarische Nationalbewegung hatte mit ihren Ausschließlichkeitsansprüchen auf allen Gebieten schon wesentlich weiter um sich gegriffen, als dies selbst von der madjarischen Forschung dargestellt wird.

Die Zeit von 1790 bis 1825 unterscheidet sich von der als Glanzzeit der madjarischen Nationalentwicklung betrachteten Epoche von 1825 bis 1844, soweit ihre Auswirkung auf die Volksgruppen in Frage kommt, nur insofern, als bis 1825 die Macht des Königs noch so weit reichte, den madjarischen Forderungen nach Mitteln zur Vereinheitlichung , d. h. Madjarisierung des Staates, gesetzliche Mittel zu versagen. Daher war das Madjarentum weitgehend auf die private Initiative des Einzelnen angewiesen. Wie stark aber auch diese jeweils von dem madjarischen Ausbreitungsgedanken erfasst waren, beweist u. a. das Beispiel der Kriegsdorfer Taufmatrikel.

Erst im Jahre 1871 stoßen wir wieder auf ein Notiz im Kirchenbuch Kriegsdorf, die auf einen anderen Weg der Madjarisierung hinweist, der im gesamten bäuerlichen Bereich deutscher Siedlungsgruppen in Ungarn in der zweiten Hälfte den 19. Jahrhunderts seine großen Erfolge zeigte. Es steht dort folgendes zu lesen:

„Im November wird die Schule auch mit der erwachsenen Jugend eröffnet. Die Jugend beteiligt sich gerne am Unterricht und besucht die Schule und zwar: Montag 2 Stunden, Donnerstag 2 Stunden, in der Woche 4 Stunden, aber nur abends. Auffallend ist es für den Lehrer, dass ihn ein Jüngling namens Friedrich Hotz, Sohn des Friedrich Hotz (Hansi) fragte: „Hát a német is ember? = Ist der Deutsche auch ein Mensch? Von nun an ist es die heiligste Aufgabe des Lehrers, der Jugend zu beweisen, dass es sehr viele deutsche Männer gibt und dass es außer den Deutschen in Hadad noch mehrere Deutsche gäbe“

Die Frage „Ist der Deutsche auch ein Mensch“ umreißt die Kernfrage der bäuerlichen Aufstiegsassimilation vieler Gebiete, wie er den madjarisierenden Erfolg der madjarischen Gesellschaftsordnung kennzeichnet. Sie wird im Augenblick der ersten natürlichen Besinnungsmöglichkeit gestellt. Bis ungefähr 1850 waren die Kriegsdorfer Schwaben Untertanen des Barons Wesselényi gewesen. Nach der dann in Ungarn allgemein beendeten Lösung aus der Erbuntertänigkeit war ihnen erst die Möglichkeit gegeben, über Beruf und Weiterkommen selbst zu bestimmen. Bis dahin war die jeweilige Zustimmung des Grundherrn erforderlich, der natürlicherweise bestrebt war, keine Arbeitskraft zu verlieren und alle im handwerklich-bäuerlichen Bereich zu halten. Eine vollständige Einbeziehung dieser Gemeinde über den Geistlichen in die Lebenshaltung und -einstellung der freien Siebenbürger Sachsen, besonders der auf dem Königsboden, war daher unmöglich gewesen. Die seelische Betreuung, die allein übrig blieb, hat, schon wie die Matrikelführung nachweist, ebenfalls ihren großen völkischen Wert gehabt, da sie die Kriegsdorfer von einer langsamen, von ihnen selbst nicht erkannten und bemerkten Madjarisierung bewahrte. Doch konnte sie dieses bis 1850 nicht vor der Beeinflussung durch andere Faktoren wie die bewusste soziale Minderwertung schützen, die ebenfalls zur Madjarisierung führten. Nach dieser Zeit konnte deren Wirkung allerdings durch tatkräftiges Eingreifen beseitigt werden und zwar durch geistige Aufklärung, wie die Notiz von 1871 andeutet, sowie durch praktische Unterstützung, wie die weiter unten zitierten Akten darlegen. Vorerst aber charakterisiert die Frage, ob auch der Deutsche ein Mensch sei, das madjarische Gesellschaftssystem von Herrentum und Bauerntum. Dem „Herrentum“ gehörte vor allem der madjarische und madjarisierte Adel an, der allein das Recht besaß, „Mensch“ zu sein, d.h. ein freies, selbstbestimmtes Dasein zu führen.

Die Erweiterung dieser Herrenschicht im Laufe des 19. Jahrhunderts durch die Aufnahme Nichtadliger unter der einzigen Bedingung, die madjarische Sprache anzunehmen, ist hier nicht in Betracht zu ziehen. Der Bauer war nur Arbeitskraft, wenn er nicht noch niedriger angesetzt wurde. Rechte besaß er keine, er hatte ausschließlich zu gehorchen. Die „Herrenschicht“ hatte alle nichtbäuerlichen Berufe, also auch die mit dem Bauern am stärksten in Berührung kommenden wie die des Dorfnotärs usw., besetzt. Aus der Schau der Kriegsdorfer Schwaben heraus, die zahlreichen andern deutschen Gemeinden gleichzusetzen ist, ergab sich daher ohne weiteres die Tatsache, dass alles, was nicht bäuerlich war, „herrisch“, d.h. madjarisch war, dass alles, was ein nichtbäuerliches, d.h. menschenwürdiges Leben führte, „Mensch“ sein durfte, nur ein „Herr“, also ein Madjare sein konnte. Das jedem deutschen Bauern naturgegebene Streben nach Aufbau und Fortkommen musste auf der Grundlage einer solchen Gesellschaftshaltung – wenn ihr nicht wie in Kriegsdorf eine Aufklärung entgegengesetzt werden konnte – zwangsläufig bei einer freien Entwicklungsmöglichkeit zu sog. Aufstiegsassimilation führen. Nicht ausschließlich eine materialistische Grundhaltung hat die Zustimmung und Förderung der Bauern zur Madjarisierung ihrer Kinder, vor allem der studierenden, hervorgerufen. Deutlicher als hier kann ein wenigstens ebenso wesentlicher Faktor, der Wille zu menschenwürdigem Dasein, der doch auf eine der positivsten Eigenschaften im Bauern, der Achtung vor sich und dem Bewusstsein seines Wertes zurückgeht, sich nicht aussprechen.

Diese Entwicklung zu einer Bejahung der Madjarisierung hin konnte in Kriegsdorf aufgehalten werden. Schon in der Notiz von 1871 gibt der Lehrer als seine Aufgabe an, Kriegsdorf zur Anteilnahme am deutschen gesamtvölkischen Dasein zu erziehen und ihm die Kenntnis davon zu vermitteln. Diese Anlehnung Kriegsdorfs an siebenbürgisch-sächsische Haltung und Ausrichtung hat in der weiteren Entwicklung den scharfen Unterschied zu allen andern Gemeinden des Sathmarer Raumes gebracht. Diese waren ausschließlich katholisch und der Führung der madjarisch eingestellten, katholischen Geistlichkeit überlassen. Sie wurden daher sprachlich weitgehend madjarisiert. Dort vollzog sich ein umgekehrtes Ringen wie in Kriegsdorf, indem die katholische Geistlichkeit den Schwaben Schule wie Kirche für die madjarische Sprache abzwang, während – wie wir in folgenden sehen werden – in der protestantischen Gemeinde Kriegsdorfs die Schwaben unter Führung ihres Geistlichen sich ihre Schule deutsch zu erhalten wussten. Die Erziehung und Aufklärungsarbeit in Schule und Kirche in deutschem Sinne zeigt ihr Ergebnis in den nachstehenden „Akten“, die den vergeblichen Versuch der madjarischen Behörden bzw. des Schulinspektors widerspiegeln, die deutsche Schule Kriegsdorfs zu madjarisieren.

1898. „Am 28.März erhielt dieser Presbyterium vom königl. ungar. Schulinspektor Petri Mor eine Zuschrift, in welcher das Presbyterium resp. die ev. deutsche Gemeinde aufgefordert wird, einen der gesetzlichen Forderungen entsprechenden Schulsaal zu bauen und ihn binnen 30 Tagen von dem Entschluss des Presbyteriums zu verständigen. Das Presbyterium schickte den Akt an das Bezirkskonsistorium und dieses an das Landeskonsistorium. Bis zur Erledigung hatte der Herr Schulinspektor die Sache noch dreimal urgiert. Stark gräbt man dieser deutschen Gemeinde nach den Wurzeln. Das Streben unserer madjarischen Brüder ist dahin gerichtet, in Hadad eine Staatsschule zu errichten, wie ich aus sicherer Quelle erfahren habe und da sie hoffen, die Deutschen werden ihrer Pflicht nicht entsprechen können, da auf ihnen der Kirchenbau schwer lastet, so hoffen sie die deutschen Kinder in die Staatsschule zu zwingen und so allmählich den deutschen Laut auszumerzen. Es soll ihnen nicht gelingen!“

Die Gemeinde beschloss, ihre Schule aufrecht zu erhalten; und suchte beim wohllöblichen Bezirkskonsistorium um Hilfe diesbezüglich an. Ein Plan und Kostenüberschlag wurde der Gemeinde von Herrn Oberingenieur Herrn Adolf Klein in Silah, einem ev. Sächsischen Pfarrerssohn und Schwiegersohn des Herrn Stadtpfarrers von Bistritz zu einem zu erbauenden Schulsaale gemacht, derselbe an das hochlöbliche Landeskonsistorium samt einem vom Baumeister Dinal György verfertigten eingeschickt.

1899. „Im Februar dieses Jahres hielt der königl. ungarische Schulinspektor Dokt. Petri Mor eine Versammlung ab, um in derselben die Errichtung einer Staatsschule zu verabreden. Die reformierte Kirchengemeinde stimmte der Errichtung derselben zu und versprach ihr Schulgebäude samt Hofteile sowie ein Stück des Pfarrgarten zum eventuellen Weiterbau.

Die ev. Kirchengemeinde erklärte mündlich und schriftlich durch den Pfarrer, dass die Gemeinde ihre konfessionelle Schule erhalten wolle und beanspruche alle jene durch das Gesetz ihr als schulerhaltenden Behörde gewährten Benefizien. Die Errichtung der Staatsschule wurde auch dem Abgeordneten Samuel Lazar empfohlen, dieselbe befürwortend dem Minister vorzulegen. Nach dem Beschlusse der in Hadad unter dem Vorsitz abgehaltenen Versammlung sollte die Staatsschule am ersten September eröffnet werden und zwar mit drei Klassen.

Die ev. Kirchengemeinde ging bezüglich ihres Klassenzimmerbaues munter ans Werk und wollte bis 1. September ihren, den Gesetzesbestimmungen entsprechenden Schulsaal bauen, doch zogen sich die Verhandlungen mit dem Landeskonsistorium in die Länge. Das Landeskonsistorium gewährte ein Darlehen von 144 Fl., mit den vorhandenen Unterstützungen wurden die Bauziegel gebrannt von Schulnachbar Georg Sinn, die größere Hälfte seines Gartens zur Schulhoferweiterung gekauft. Im Herbst dieses Jahres wurde der Schulsaal begonnen, welcher in eigener Regie gebaut wurde, die Mauererarbeiten führte Mihaly Ferencz aus Szeer und die Zimmermannsarbeit der hiesige Einwohner und Presbyter Andreas Löscher aus. Der Schulsaal soll bis Mai 1900 fertig werden.“

1900. „Im März besucht uns der Herr Schulinspektor Petri Mor und sprach sich sehr lobend über den Schulsaal aus und über die Tatkraft der deutschen Gemeinde. Die Staatsschule ist noch in der Schwebe und ich hoffe, dass sie auch nie errichtet wird, weil die deutsche Gemeinde ihre Schule erhält und ihren gesetzlichen Bestimmungen auch hiermit vollständig entspricht. Eine Ursache, die Kinder in die Staatsschule zu zwingen, liegt nicht vor und wozu dann die Staatsschule, wenn dieselbe keinen praktischen Nutzen in national chauvinistischer Beziehung liefert“.

„Und denkt ihr mich mit Schmeicheleien zu ködern, ganz verstohlen, ich will nicht, ich will nicht, es soll auch nicht gelingen“ rufen wir mit dem sächsischen Dichter.

Infolge der Frühjahrsarbeit, der landwirtschaftlichen Arbeiten überhaupt ging die Arbeit am Schulsaale sehr lässig, erst am 1. November konnte derselbe bezogen werden. Groß und luftig ist derselbe und gewiss einer besteingerichtetsten im Szilagyer Komitat; es sprechen sich alle Besucher lobend über denselben aus. „Nun ist er fertig – wird der Herr Schulinspektor wohl etwas Neues zu bemängeln finden? Vielleicht die Schülerzahl; denn 1899 gingen täglich 100 Schüler in die Schule, ebenso viel heuer. Vielleicht legt er jetzt der Gemeinde noch die Last auf einen zweiten Lehrer anzustellen. Auch das wird die Gemeinde tun, aber ihre Schule, ihre Sprache lässt sie nicht“.

In diesem Jahre war ich zum ersten Male, seit ich in Hadad weile, wieder einmal unter die deutschen Brüder Siebenbürgens gezogen, in dem ich den Zweigverein der ev. Gustav Adolf- Stiftung des Bistritzer Bezirkes, abgehalten in Dürrbach, besuchte. Freundliche Aufnahme fand ich überall und nach Hadad und den Hadader „Titschen“ wurde viel gefragt. Hadad wird reichlich unterstützt und ist wegen seines kirchlichen Sinnes, besonders wegen seiner Abgeschlossenheit im Szilagyer Komitat und seinem Festhalten am evangelisch-deutschen Glauben Sympathie erregend, evangelisch und deutsch deckt sich bei uns in Hadad.

(Vor der Versetzung 1901 des Pfarrers Friedrich Eisenburger). „Möge mein bescheidenes stilles Wirken in dieser Gemeinde von Segen sein und bleiben und es wolle der Herr einen neuen Seelenhirten nach seinem Herzen erwecken, der deutsch, evangelisch und volkstumsfördernd und stärkend sei und die frisch aufkeimende Saat nicht vernichte.“.

In diesen Akten spricht ausschließlich die Praxis der Madjarisierung, wie sie von den Schulinspektoren getätigt wurde. Deutlich tritt das ständige Suchen nach Möglichkeiten einer Bemängelung der vorhandenen Zustände und deren Beseitigung vermittels einer Staatsschule hervor. Die Gemeinde selbst beruft sich auf ihr Recht, eine deutsche Schule zu erhalten, das sich aus dem Gesetz von 1868 ergab. Doch war inzwischen ein anderes, weniger bekanntes Gesetz 1893 herausgegeben worden, das deshalb weniger herausgestellt wurde, weil es dazu dienen sollte, die 1868 noch offengelassenen Möglichkeiten zur Erhaltung nichtmadjarischer Schulen zu umgehen. Auch der Pfarrer von Kriegsdorf deutet es an, wenn er von der Aufzwingung einer zweiten Lehrkraft spricht. Das Gesetz XXVI v. J. 1893 erscheint im ersten Augenblick als eine soziale Sicherung des Lehrerstandes. Er schreibt ein Mindestgehalt von 600 Kr. für jeden Lehrer vor. Ist die Gemeinde nicht imstande, dieses Gehalt aufzubringen, so hat sie den Staat um Unterstützung anzugehen. Überschreitet diese Unterstützung 120 Kr. so hat der Staat ein Mitbestimmungsrecht bei der Besetzung der Lehrerstelle. Lehnt der Minister den von der Gemeinde vorgeschlagenen Lehrer ab, so hat sie innerhalb von 30 Tagen einen zweiten anzugeben. Ist auch dieser nicht genehm, so kann der Minister einen Lehrer nach eigenem Wunsch ohne Befragen der Gemeinde ernennen. Ebenso war der Minister berechtigt, anstelle einer konfessionellen Schule eine Staatsschule zu errichten, wenn wichtige Staatsinteressen dies geboten. Wurde zweimal an einer Schule ein Lehrer wegen „staatsfeindlicher Tendenzen“ entfernt, so konnte diese Schule verstaatlicht werden. Kam eine Schule nicht um die Unterstützung ein, konnte ebenfalls an ihrer Stelle eine Staatsschule errichtet werden. Dieses Gesetz bot jegliche Handhabe zur Verstaatlichung der konfessionellen völkischen Schulen. Der Pfarrer von Kriegsdorf beseitigte mit siebenbürgisch-sächsischer Hilfe den ersten Grund, das mangelhafte Schulgebäude. Den zweiten, eine notwendige weitere Lehrkraft erkannte er schon. Um die Staatsunterstützung und die damit sicher kommende Verstaatlichung der Schule zu vermeiden, wird die Gemeinde auch dieses finanzielle Opfer bringen. Noch einmal konnte die Madjarisierung über die Schule abgewehrt werden.

Wenige Jahre später fand sie auf einem anderen Wege etwas Eingang. Die Armut der Gemeinde zwang die Schwaben vielfach in jungen Jahren nach Amerika auszuwandern. Später kehrten sie mit ihren Ersparnissen wieder in ihre Heimatgemeinde zurück. Ein ähnlicher Vorgang war bei den Madjaren des oberen madjarischen Gemeindeteiles von Hadad festzustellen. 1911 wurden nun in Amerika einige Kriegsdorfer Schwaben wie auch Madjaren für den Baptismus gewonnen. In Kriegsdorf zogen die Schwaben ihre Frauen zu den neuen Glauben hinüber. Sonst finden in der Gemeinde selbst keine Bekehrungen statt, wohl aber immer wieder in Amerika. Um nun eine religiöse baptistische Gemeinschaft, zu der auch die Madjaren gehörten, in Kriegsdorf weiterzupflegen, musste die Frage der Kirchensprache entschieden werden. Da die Schwaben alle madjarisch, die Madjaren aber nicht deutsch sprachen, wurde das Madjarische zur Kirchensprache erhoben. Von dort aus fand die sprachliche Madjarisierung der baptistischen Schwaben, deren Kinder nun auch nicht mehr die protestantische konfessionelle Schule besuchten, statt. Zu Hause sprechen sie allerdings noch das Deutsche als Muttersprache mit den Kindern, da die Kinder dies allein schon von ihren Spielgenossen erlernen. Die Umgangssprache der Erwachsenen ist aber das Madjarische. Sehr stark fördernd auf die Lösung aus der deutschen Dorfgemeinschaft wirkte auch der religiöse Fanatismus in seiner Ablehnung allen Brauchtums. Volkstanz, Volkslied, Laienspiel usw. gilt als Sünde und wird daher nicht gepflegt. Auf Grund der Religionsgemeinschaft finden auch Mischehen mit Madjaren statt, während die evangelischen Deutschen eine Gemeinschaft mit ihren baptistischen Volksgenossen ablehnen. Eine Rückgewinnung für das Deutschtum war bisher im einzelnen Falle nur über die evangelische Kirche möglich.

Eine kurze Zeit ist auch eine sprachliche Madjarisierung des Brauchtums eingetreten, die heute wieder gänzlich rückgängig gemacht ist. Dies trat ungefähr 1910 ein und ergriff vor allem die Texte der Hochzeitsbräuche, Begräbnisreden usw. Und zwar ging es über die merkwürdige Zwischenform gemischtsprachiger Texte. So wurden z. B. anfänglich nur die an alle Gäste, unter denen sich auch Madjaren befanden, gerichteten Worten der Hochzeitsbräuche madjarisch gesprochen, während das Brautpaar usw. noch deutsch angeredet wurde. Schließlich ging man ganz zur madjarischen Sprache über, da sie ja von allen Schwaben verstanden wurde. Dabei wurde eine vollständig wortgetreue Übersetzung vorgenommen und weder an der Form noch am Inhalt etwas geändert. Kurz nach dem Weltkrieg konnte die deutsche Fassung wieder eingeführt werden, die der älteren Generation ja noch geläufig war.

Ein blutsmäßiger Verlust am deutschen Volksbestand Kriegsdorfs tritt nur in Einzelfällen durch Mischehen in die umliegenden nichtdeutschen Dörfer ein. Dabei handelt es sich meist um Handwerker, die in diese Gemeinden aus Berufsgründen abwandern und dort eine Nichtdeutsche heiraten. Sie gingen bisher fast immer dem deutschem Volkstum verloren. Von Seiten der deutschen Gemeinde und ihrer eigenen Familie wurde in den meisten Fällen solcher Mischehen, die zur Madjarisierung führten, ein scharfer Trennungsstrich gezogen und jeder Verkehr abgebrochen. Selbst bei einem Todesfall wird diese Haltung nicht aufgegeben und an dem Begräbnis nicht teilgenommen. Heiratet in Kriegsdorf ein schwäbischer Handwerker eine madjarische Handwerkstochter aus Standesgründen und lässt sich aber seine Kinder auf diesem Wegen madjarisieren, so wird er ebenfalls aus der Dorfgemeinschaft ausgeschossen. Heute hat sich bei Mischehen der Brauch eingebürgert, dass der Mann vor dem Abschluss der Ehe eine schriftliche Erklärung von der Frau verlangt, dass sie mit der deutschen Erziehung der Kinder einverstanden ist. Die Fälle der Mischehen sind aber äußerst selten.

Kriegsdorf ist also eine Gemeinde, in der die verschiedensten Ansatzpunkte der Madjarisierung durch die frühe Angliederung an die siebenbürgisch-sächsische Landeskirche jedes Mal im Keime erstickt werden konnten. Als erstes entging sie dadurch dem Schicksal des übrigen protestantischen Deutschtum Sathmars und wurde weder katholisiert noch über den Kalvinismus madjarisch. Ihrer sozialen Stellung nach als einer erbuntertänigen Gemeinde war sie gleich allen anderen sathmarschwäbischen Gemeinden den madjarisierenden Einflüssen des madjarischen Gesellschaftssystems ausgesetzt, deren Wirkung schon zu bemerken ist. Doch konnten sie ihnen nie ganz zum Opfer fallen, da die geistige und religiöse Betreuung in Schule und Kirche stets in der von den Siebenbürger Sachsen gepflegten deutschbewussten Haltung erfolgte.