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Arbeitsaufenthalt in Hermannstadt 2003


(Ein Bericht aus der Siebenbürger Zeitung - von Erich Hotz)

Seitdem Erich Hotz in den Ruhestand eingetreten ist, findet der ehemalige Trauner Gemeindebeamte Zeit und Muße, sich seinem lange gehegten Vorhaben, der Erstellung einer Familien- und Ortschronik von Hadad/Hodod/Kriegsdorf, zu widmen. Im nachfolgenden Bericht schildert Hotz seine Eindrücke und Erfahrungen nach einem sechswöchigen Arbeitsaufenthalt in Hermannstadt.
Die Deutschen von Hadad wurden um etwa 1750 aus Baden-Durlach (Markgräflerland) angesiedelt, später, um etwa 1780, kamen noch Ansiedler aus Oberösterreich, der Steiermark und Kärnten dazu. Sie waren alle Evangelische des Augsburger Bekenntnisses (A.B.) und ab 1871 der Evangelischen Landeskirche in Siebenbürgen direkt zugehörig. Hadad ist ein sehr isolierter Marktflecken im hintersten Nordwesten Siebenbürgens mit einem durchaus großen deutschen Anteil von etwa 35 Prozent der Bevölkerung (1944 etwa 700 Evangelische A.B. und weitere etwa 150 Deutsche anderer evangelischer Glaubensrichtungen).

Im Zuge meiner Bemühungen zur Sammlung von Nachweisen aller Art über Hadad und seine Deutschen erfuhr ich, dass in Hermannstadt einiges Material über Hadad vorhanden ist. Meine Nachfrage im Spätherbst 2002 ergab, dass man im Zentralarchiv sehr intensiv an der Archivierung der Bestände arbeitet, jedoch eine Einsicht aus finanziellen und personellen Gründen erst ab etwa Mitte 2004, nach der offiziellen Eröffnung der Einrichtung, möglich sei. Finanziell hatte ich keine nennenswerten Möglichkeiten einer Hilfe, aber ich traute mir durchaus zu, für einige Wochen als Hilfskraft bei den Archivarbeiten mitzuarbeiten, wenn man mir dafür Einsicht in die bereits archivierten Bestände über Hadad erlauben würde. Das Landeskonsistorium der evangelischen Kirche in Hermannstadt akzeptierte meinen Vorschlag, und es wurde ausgemacht, dass ich von Ende Mai bis Anfang Juli 2003 für sechs Wochen nach Hermannstadt kommen und im Archiv arbeiten könne. Dass ich für Unterkunft und Verpflegung selbst aufkommen würde, war für mich selbstverständlich.

Zum im ehemaligen Martin-Luther-Waisenhaus in der Fleischergasse (rumänisch: strada Mitropoliei) gut untergebrachten Zentralarchiv muss man wissen: Nach der Massenauswanderung der Siebenbürger Sachsen (zu denen sich auch die Bewohner Hadads, die Landler von Neppendorf, Großpold und Großau und die Durlacher Mühlbachs im weiteren Sinn zugehörig fühlten) bestand die Notwendigkeit, die vielen Pfarrarchive der nunmehr verwaisten etwa 250 Gemeinden in Sicherheit zu bringen. Inzwischen lagert fast alles in mehr oder weniger gut erhaltenem Zustand im Zentralarchiv in Hermannstadt und wartet darauf, archiviert und interessierten Archivnutzern zugänglich gemacht zu werden. Die Leitung des Archivs vertraute mir den Gemeindebestand Hamlesch im Mühlbacher Bezirk an. Der Praktikantenbetreuer, der wissenschaftliche Dokumentar Dr. Rainer Kramer, führte mich in die hohe Kunst des Verzeichnens ein. Ziel ist es dabei, Altregistraturen der Gemeinden in einen Archivbestand nach Maßstäben eines modernen Archivs umzuwandeln. In der Praxis bedeutet dies, alle Teile des Bestandes der Reihe nach in die Hand zu nehmen, zu sichten, zu klassifizieren, und gegebenenfalls einzelne Dokumente zu thematisch sinnvollen Einheiten zusammenzufassen. Dann werden Titel und Signatur vergeben und am PC mittels eines Datenbankprogramms erfasst. Anschließend muss noch alles ordentlich verpackt, verschnürt, beschriftet und zur Lagerung in entsprechende Archivschachteln gegeben werden, um eine lange Lagerung und ein problemloses Wiederfinden der einzelnen Stücke zu gewährleisten. Um die spätere Benutzung des Archivs zu ermöglichen, wird zu jedem Bestand ein Findbuch erstellt. Dieses enthält ein Vorwort mit einer Schilderung der Geschichte der Gemeinde. Zudem sind in systematischer Ordnung alle erfassten Titel mit der dazugehörigen Signatur aufgelistet, so dass künftige Nutzer gezielt die für sie relevanten Akten bestellen können.

Im Jahre 2003 zählt die evangelische Kirche in Siebenbürgen nurmehr etwa 14 000 Mitglieder. Es werden größte Anstrengungen unternommen, die der Kirche gehörenden und in der kommunistischen Zeit enteigneten Objekte zurückzubekommen, was insbesondere in den ländlichen Gemeinden auf Schwierigkeiten stößt, wie mir ein evangelischer Dorfpfarrer aus dem Banat berichtete. Die meisten baulichen Objekte sind höchst sanierungsbedürftig und die Liegenschaften nicht wirklich verwertbar. Dass dennoch eine Aufbruchstimmung in Rumänien und gerade in der evangelischen Kirche bemerkbar ist, verdient Anerkennung.

Die evangelische Landeskirche in Rumänien kann sich diese für die Gegenwart und vor allem für die Zukunft wichtige Einrichtung eines Zentralarchivs, insbesondere was die derzeitige sehr kostenintensive Vorlaufzeit betrifft, eigentlich kaum leisten. So darf dankbar zur Kenntnis genommen werden, dass die Kosten der seit etwa zwei Jahren hauptverantwortlich Beschäftigten Dr. Wolfram Theilemann, Dr. Rainer Kramer und der Historiker Thomas Sindilariu sowie mehrerer Studenten über die bundesdeutsche Volkswagen-Stiftung getragen wurden. Insbesondere meine siebenbürgischen Landsleute in Deutschland, Österreich und Übersee sollten wissen, welch wichtige Arbeit im Sinne der siebenbürgischen Volksgemeinschaft hier im Archiv geleistet wird. Wenn ich zum Beispiel die Siebenbürgische Zeitung durchblättere und vom sehr aktiven Wirken der vielen Nachbarschaften lese und dem gegenüberstelle, mit welchen Schwierigkeiten die Kirche in der "alten Heimat" kämpft, so würde ich mir wünschen, dass eben diese Kirche in Siebenbürgen die entsprechende Würdigung der ausgewanderten Volksgenossen auch in materieller Hinsicht erfahren könnte.

Dem Landeskonsistorium der evangelischen Kirche in Rumänien, an der Spitze mit Bischof D.Dr. Christoph Klein, Hauptanwalt Friedrich Gunnesch und Hans-Jürgen Binder sei für die freundliche Aufnahme gedankt. Sie haben mir zu einem wertvollen, unvergesslichen Erlebnis verholfen. Auch Marianne Banciu und ihren Mitarbeiterinnen vom Elim-Heim danke ich für die gute Betreuung.